Technologische Fortschritte gestalten
Vor einem Jahr stellte Schuler mit der Digital Suite ein Produktpaket zur Vernetzung der Umformtechnik vor, mit dem sich Produktivität und Verfügbarkeit von Anlagen steigern lassen. Einige Monate später wurde der Smart Press Shop eröffnet.
Die Werkstatt verfügt über ein System zur Nachverfolgung von Komponenten, zur Simulation des Teileflusses, zur Überwachung von Werkzeugen und Schmierkreisläufen. Aber die Digital Suite bietet noch mehr.
Der Smart Press Shop in Halle gilt als das modernste Presswerk der Welt und Schuler hat zahlreiche Lösungen aus seiner Digital Suite zur Vernetzung der Umformtechnik implementiert.
Im Frühjahr 2019 gab das 50:50-Joint Venture zwischen Schuler und Porsche, das den Smart Press Shop betreibt, den 32 Hektar großen Standort vor den Toren Halles bekannt. Trotz der Pandemie konnte die Anlage zwei Jahre später wie geplant in Betrieb genommen werden. Dank der Nähe zum Porsche-Werk Leipzig und den damit verbundenen kürzeren Logistikwegen reduziert der Automobilhersteller die produktionsbedingten CO2-Emissionen deutlich. Vor allem aber soll der Smart Press Shop die Produktionseffizienz und die Digitalisierung wichtiger Prozessschritte in der Automobilproduktion auf ein neues Niveau für die Umformtechnik heben.
Zum Maschinenpark des Joint Ventures gehören eine Servopressenlinie mit einer Leistung von 20 Hüben pro Minute, eine Try-out-Presse und eine Laserschneidanlage. Sie produzieren Karosserie- und Strukturteile für den Porsche Macan SUV und andere Kleinserien.
Stanzlinien mit Lasern erfordern keine teuren und schweren Matrizen. Deshalb eignen sie sich besonders für die Produktion von Neuteilen oder kleinen Losgrößen mit häufigen Produktwechseln. Das kontinuierlich vorwärts bewegte Coilmaterial wird mit hohen Schnittgeschwindigkeiten zu Platinen verarbeitet. Dank einer werkzeuglosen Schusstrennung kann zudem ein hoher Ausstoß erzielt werden.
Die Laser Blanking Line 2.18 von Schuler ist mit zwei Schneidköpfen zur Bearbeitung von Bandmaterial mit einer Breite von bis zu 1.880 mm ausgestattet. Durch die Erfassung verschiedener Messwerte der Anlage und des Spulenmaterials sowie einer intelligenten Markierung der Leiterplatte ist die Anlage, die die Rohlinge für die Servopressenlinie bereitstellt, gleichzeitig Ausgangspunkt für ein Track & Trace-System.
Parallel zur Entwicklung der Maschinen-, Werkzeug- und Werkstofftechnik steigen die Qualitätsanforderungen an Außenhautteile stetig. Aufgrund der Umformgrenzen von Leichtbauwerkstoffen und der Gestaltung anspruchsvoller Bauteile sind die Prozessfenster für die Produktion guter Teile oft sehr klein. Anlaufeffekte bis hin zur laufenden Produktion, Schwankungen in der Materialqualität oder Toleranzen im Werkzeug können oft zu Problemen und der Produktion von Ausschussteilen führen.
Die durchgängige Teileverfolgung ermöglicht einen lückenlosen Qualitätsnachweis für die laufende Produktion. Das System kennzeichnet jede Komponente mit einer eigenen ID, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten und Produktstadien zurückverfolgt werden kann. Zu dieser ID werden alle wichtigen Informationen in einer Datenbank gespeichert, sodass nachvollzogen werden kann, von welchem Coil das verarbeitete Bauteil stammt, welche Parameter bei der Umformung vorhanden waren und welche Qualitätsmerkmale ein Teil aufweist.
Track & Trace schließt die Lücke zur vollständigen Transparenz in der Produktion. Jedes einzelne Teil erhält eine eindeutige Kennung und wird während des Produktionsprozesses verfolgt. Alle Daten und Informationen werden verknüpft und in einen Kontext gesetzt. Zu den von automatischen oder manuellen Kontrolleinrichtungen erfassten Daten gehören das verarbeitete Vormaterial (Coil), Mess- und Prozesswerte in der Stanz- und Pressenlinie sowie Qualitätsmerkmale.
Der geschlossene Qualitätsregelkreis ermöglicht eine Optimierung der Produktion. Fehler können schneller erkannt und gezielt behoben werden. Durch offene Schnittstellen zu MES-Systemen oder Cloud-Plattformen ist der Einsatz künstlicher Intelligenz aus dem Bereich des maschinellen Lernens möglich, um die Produktion unterstützend zu überwachen und zu steuern. Bereits in frühen Entwicklungsstadien werden Ansätze verfolgt, das Nachölen von Leiterplatten und die adaptive Steuerung des Ziehkissens zu optimieren, um Defekte wie Risse zu reduzieren.
Schuler kooperiert mit der German Edge Cloud (GEC). Die Spezialisten lieferten ein zentrales Softwaremodul für das Track & Trace-System. Darüber hinaus entwickelt Schuler weitere Module nach dem „User Centered Design“-Ansatz. GEC bringt seine Industrielösungen auf Basis des Premise Edge ONCITE in die neue Kooperation ein. Die volle Datensouveränität des Systems stellt sicher, dass Know-how und kritische Produktionsdaten in den richtigen Händen bleiben. Track & Trace ist kompatibel mit Public Clouds von OEMs und mit Hybridsystemen.
Beim Smart Press Shop werden der Umformprozess und der Teilefluss vorab am Computer simuliert. Die Schuler-Software DigiSim erkennt sogenannte Störkonturen und gewährleistet die notwendigen Sicherheitsabstände, indem sie die Bewegungen von Schlitten und Transfer sowie alle anderen für die Anwendung relevanten Bewegungen nachahmt. Auf diese Weise können Kollisionen zwischen allen Elementen im Voraus erkannt und beseitigt werden. Gleichzeitig werden reale Tests und Einrichtungsprozesse verkürzt und das Risiko eines Ausfalls minimiert.
Kameras in der Pressenlinie überwachen mithilfe intelligenter Software den Umformprozess. Sie erkennen Fremdkörper wie Stempelreste oder Schraubenschlüssel in der Matrize und prüfen, ob die Teile korrekt eingelegt, geformt und entnommen wurden. Bei einer registrierten Abweichung vom Sollzustand stoppt die Presse sofort, um teure Folgeschäden im Werkzeug zu vermeiden.
Schuler nennt das System „Visual Die Protection“, kurz VDP, das Werkzeugreparaturen, Stillstandszeiten oder sogar den kompletten Produktionsstillstand ersparen kann. Die Kameras erkennen außerdem, ob die Matrize korrekt angeschlossen ist und ob die Rohlinge korrekt eingelegt, geformt und entnommen wurden. Sie sehen Risse im Bauteil sowie mögliche Schäden an den Zentrier- und Auswurfstiften.
Um eine Erkennung zu ermöglichen, müssen die Kameras vor Produktionsbeginn zunächst Referenzbilder des jeweiligen Stempels aufnehmen. Die Bediener markieren sensible Bereiche wie die Zentrier- und Auswurfstifte, die einer besonders präzisen Überwachung bedürfen. Die künstliche Intelligenz auf einem separaten Rechner vergleicht dann die aktuellen Fotos in Echtzeit mit dem Originalzustand des Werkzeugs im Produktionsprozess und ermöglicht sofort die Einleitung von Gegenmaßnahmen.
Der VDP-Analyzer kann auch zur Untersuchung von Fehlerursachen eingesetzt werden. In der Visualisierung können Schwankungen im Zeitverlauf genutzt werden, um schnell einen Überblick darüber zu gewinnen, wann genau Abweichungen vom Normalzustand aufgetreten sind. Der Anwender kann nun gezielt die zu diesen Zeitpunkten gehörenden Bilder abrufen und mögliche Probleme erkennen, etwa Teile an einem Zentrierstift, die kein Gewinde haben oder dass sich in einem bestimmten Ausschussschacht immer wieder Stanzabfall ansammelt.
Auf diese Weise können entsprechende Änderungen vorgenommen werden, um zukünftige Produktionsunterbrechungen zu vermeiden und so die Prozessstabilität und letztendlich den Output zu erhöhen. Das System ermöglicht außerdem den Export von Zeitreihen und Bilddaten zur Dokumentation und späteren Vergleichen. Mit herkömmlichen Kameras können Pressenbediener zwar den Werkzeugraum überwachen, müssen die Videos anschließend aber selbst auswerten. Diese Arbeit übernimmt nun der VDP-Analyzer.
Kameras im Smart Press Shop überwachen die „Ziehkante“ eines Teils. Unter konstanten Bedingungen im Umformprozess bleiben Form und Größe dieser Kante weitgehend identisch. Jede Veränderung weist auf eine Abweichung der Materialeigenschaften, der Schmierung oder der Zugkräfte hin. In diesem Fall liefert die Prozessüberwachung Informationen an den Anlagenbetreiber, sodass dieser frühzeitig Korrekturen vornehmen kann, um teure Ausschuss- oder Nacharbeitsteile weitgehend zu vermeiden.
Neben den Werkzeugen wird auch das in der Anlage zirkulierende Öl kontinuierlich überwacht, um die Alterung des Schmierstoffs festzustellen. Ziel ist es, das Öl nur dann zu wechseln, wenn sein Zustand es wirklich erfordert, was die Lebensdauer verlängern kann und es ermöglicht, kurzfristige Veränderungen der Öleigenschaften zu erkennen, die auf eine Verunreinigung mit Wasser oder Fremdpartikeln hinweisen.
Über die virtuelle Produktplattform haben Interessenten direkten Zugang zu den Experten von Schuler, mit denen sie konkrete Anwendungsfälle besprechen und detailliertere Informationen anfordern können. Durch den Einsatz offener Schnittstellen und Standardtechnologien ist die Integration in bestehende IT-Netzwerke möglich.
Smart Assist bietet Schritt-für-Schritt-Anleitungen mit Hilfe von Videos und Grafiken, um die Einrichtung der Druckmaschine zu koordinieren und die Maschine, den Transfer und das Fördersystem für maximale Produktivität zu harmonisieren. Die Sicherheit des Teiletransports ist jederzeit gewährleistet und die vollautomatische Optimierung der Bewegungskurven inklusive Beschleunigung und Verstellwinkel erhöht zudem die Ausbringungsleistung. Smart Assist fordert den Bediener auf, den Stößel und den Transfer nacheinander in bestimmte Positionen zu bewegen. Die Teach-Funktion speichert diese Positionen, sodass Smart Assist den minimal notwendigen Transfer-Hubhub und alle anderen relevanten Daten aufzeichnen kann.
Anhand der gesammelten Informationen werden die optimalen Bewegungskurven von Stößel und Transfer berechnet und die ermittelten Parameter an die Pressensteuerung übermittelt. Der Bediener drückt einfach den Startknopf. Im Expertenmodus ermöglicht der Smart Assist die freie Programmierung der Bewegungskurven von Stößel und Transfer, wie z. B. asymmetrische Transferbewegungen zur weiteren Minimierung von Wegstrecken, sodass die letzten Prozente bis zur Maximalleistung einer Transferpresse herausgekitzelt werden können.
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Schuler